VAKW Herbstexkursion 2018 in Olten

Samstag, 29. September 2018

Recht zahlreich fanden sich die Teilnehmer der diesjährigen Herbstexkursion in der historisch anmutenden Gaststube des Rathskellers ein und erfreuten sich zunächst einer kleinen bürgerlichen Rekreation. Angeblich waren diverse Leute bereits vor dem angesagten Zeitpunkt vor Ort erschienen, was auf grosses Interesse (am Kaffee) schliessen liess.

Rathskeller Olten Martin Bolliger
Der Oltner Rathskeller Martin Bolliger

Umgehend ging es dann auf ein höheres Niveau, in den zweiten Stock. Hier konnte der Präsident Peter Albisser den nicht ganz unbekannten Dr. Martin Bolliger zum ersten Referat begrüssen. Dieser ist Senior Analyst bei ALPIQ und zuständig für Wetterfragen beim Energiehandel. ALPIQ ist ein internationaler Energiekonzern mit Hauptsitz in Lausanne. (Mehr dazu unter ALPIQ Jahresergebnis 2017)

Die gesamte installierte Leistung von ALPIQ beträgt etwa 6 GW, davon gut die Hälfte in der Schweiz. Verbindungen zu MeteoSchweiz bestehen nicht nur durch den Referenten, der unter ihrer Flagge mehrere Jahre geforscht hat, sondern auch durch Christian Plüss, der auch hier in leitender Funktion tätig war.

Das Geschäft mit der Energie, hier besonders mit dem Strom, ist in den letzten Jahren viel anspruchsvoller geworden, sodass auch ALPIQ längst keine geschützte Werkstatt mehr ist: Verbrauch und Produktion von Strom sind grossen zeitlichen Veränderungen unterworfen, Produktion minus Verbrauch muss aber dauernd gleich Null sein. Eine wesentliche Variable ist das Wetter, werden doch in Europa durch Sonne und Wind Energien im Umfang von mehreren Kernkraftwerken produziert, allerdings zeitlich schwankend. Anderseits ist der Verbrauch insbesondere von der Temperatur abhängig. Die Wetterbeurteilung basiert natürlich auf den Prognosen der Modelle, wobei hier das europäische und amerikanische zu Rate gezogen werden.

Für den Energiehandel ist es nun wesentlich, Anomalien des Wetters zu erkennen, besonders wenn sie grössere Gebiete mit ca. 50 Mio. oder mehr Einwohnern betreffen. Kommt nun die Kältewelle über Westeuropa oder das Mittelmeertief über Italien? Für die Interpretation spielt die Erfahrung eine grosse Rolle, auch spekulative Schachzüge sind nicht auszuschliessen. In einzelnen Fällen können dadurch Beträge von 100 Mio. Euro (plus oder minus) auf dem Spiel stehen. Martin hat uns aber versichert, sein Lohn werde nur geringfügig durch solche Effekte bestimmt.

Den zweiten Vortrag hielt Maj Friedrich Studer, der Chef des Art Wet Dienstes. Er zeigte auf, dass in der Artillerie auch heute noch unter Berücksichtigung der Wetterelemente (Luftdichte und Wind) eine maximale Erstschusswirkung angestrebt wird. Dazu stehen insgesamt 12 Wetterzüge zur Verfügung, die den Kampfbrigaden zugeteilt werden. Die Sondierungen erfolgen analog denjenigen von MeteoSchweiz, es steht aber noch die Sonde von 1992 im Einsatz. Der Ballon wird seit einigen Jahren mit Helium gefüllt, nicht mehr mit Wasserstoff. Zur optimalen Abdeckung in einem Einsatzgebiet werden eher kleinräumig Sondierungen über ein paar Höhenkilometer ausgeführt, in grösseren räumlichen Abständen wird etwa bis zur Tropopause sondiert, und für Höhen bis zu 30 km wird auf die Messungen des Wetterdienstes der Luftwaffe abgestützt. Die Auswertung der Messdaten erfolgt vollständig durch den Computer, sodass das nostalgische "Baro, Thermo, Hygro" schon lange nicht mehr zu hören ist. Die Resultate werden über eine Schnittstelle der Artillerie zur Verfügung gestellt. Die Ablösung dieses Systems ist in Planung und soll u.a. die geänderten Gegebenheiten der Artillerie berücksichtigen.

Friedrich Studer Holzbruecke Olten
Zwei hohe Offiziere der Schweizer Armee Die alte Holzbrücke über die Aare

Nach einem feinen Mittagessen führte uns Frau E. A. Studer (die mit obigem Maj Studer nicht näher bekannt ist) auf sehr begeisternde Weise durch die Innenstadt von Olten. Ein wohl recht bekanntes Element ist der Stadtturm, ein Rest von einer Kirche in alten Zeiten. Dass schon vor Jahrhunderten das Wetter Einfluss auf die Kriegsführung hatte, wurde anhand eines Geschehnisses erläutert, als bernische und solothurnische Truppen Olten belagerten. Sie hatten ihre Zelte wenig vor der Stadtmauer flussaufwärts errichtet. Eine Hexe soll nun aber das Wetter derart beeinflusst haben, dass aus einer kleinen Wolke ein veritables Unwetter entstand und das Areal der Belagerer unter Wasser setzte. Diese traten den Rückzug an, und Olten war vorerst gerettet. Die Hexe erhielt dadurch den Spitznamen "Wetterhexe". Nur knapp entging sie später der Todesstrafe, die von den Herren zu Solothurn angedroht wurde. Auch im Zweiten Weltkrieg ereignete sich Denkwürdiges. Lobend erwähnte Frau Studer den Einsatz der Frauen, die sich um die arme Bevölkerung und später um die Internierten kümmerten.

Stadtfuehrung in Olten Bahnhof Olten
Frau Studer im Element Olten ist nicht nur Bahnhof

Eine überraschende Einlage bot ihr Partner, der von heldenhaften, aber unkonventionellen Taten der Schweizer Luftwaffe vom Juni 1940 berichtetet. In Olten waren damals vier eidgenössische Kampfflugzeuge stationiert. Nachdem bekannt wurde, dass sich über dem Luftraum im Jura mehrere deutsche Flugzeuge aufhielten, starteten auch die Schweizer, allen voran der tollkühne, aber eigenwillige Hptm Lindecker. Es kam zur Luftschlacht, bei der insgesamt sechs deutsche Maschinen abgeschossen wurden, teils in Frankreich (!), teils in der Schweiz. Unsere heldenhaften Piloten kamen mit leichten Verletzungen davon.

Die bekannte alte Holzbrücke von Olten ist ja leider durch Feuer beschädigt worden, kann aber dennoch begangen werden. Von ihr aus kann man die Markierung der Hochwasserstände der Aare ablesen. Das jüngste Grossereignis für Olten datiert auf den August 2007, und die Bösen waren auch diesmal die Berner, da sie zuviel Wasser ins Solothurnische schickten. Im Gebäude unmittelbar neben diesen Wassermarken soll übrigens Franz Hohler sein Totemügerli uraufgeführt haben.

Panorama Olten
Rundblick vom 11. Stock des Stadthauses

So konnten die Teilnehmenden der Herbstexkursion sehr viel Spannendes und Lehrreiches vernehmen. Und dies in Anbetracht des eher proletarisch anmutenden Startgeldes …

Text: Patrick Hächler
Fotos: Bruno Schädler