VAKW Jahresversammlung 2022 in Aarau
Freitag und Samstag am 13. / 14. Mai 2022
Der VAKW und brachte den Aarauern den Sommer
Die Prognose für den 13. / 14. Mai lautete sinngemäss wie folgt: "Packen Sie unbedingt Ihren Regenschirm ein und bringen Sie Ihre Gummistiefel mit, um trocken zu bleiben. Es wird diesen Monat wie aus Eimern weiter regnen!" Mit dem Eintreffen der zahlreichen Wetterspezialisten im Hotel Kettenbrücke lockerte sich jedoch die Bewölkung und machte einem schönen und weitgehend sonnigen frühsommerlichen Wochenende Platz. Das Wetter war dem VAKW gnädig und weigerte sich, den Prognosen Folge zu leisten.
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Hotel Kettenbrücke in Aarau, direkt an der Aare gelegen und mit Infrastruktur für Tagungen. |
Kompetenzzentrum Militärmusik
Der erste Programmpunkt der beiden Tage war das Referat von Oberst Philipp Wagner, der uns das Kompetenzzentrum Militärmusik sehr kompetent vorgestellt hat. Das Kompetenzzentrum Militärmusik ist die organisatorische Einheit der Militärmusik der Schweizer Armee. Es ist verantwortlich für die Ausbildung der Kader und Soldaten der Militärmusik, sowie für den Einsatz der Rekrutenspiele, WK-Spiele und der Orchester des Schweizer Armeespiels.
Philipp Wagner machte seinen Abschluss als Blasorchesterdirigent am Konservatorium Basel und ist der musikalische Leiter des Symphonischen Blasorchesters Schweizer Armeespiel.
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Oberst Philipp Wagner, Kdt Komp Zen Mil Musik, erläutert uns die Organisation und die Aufgaben der Militärmusik. |
Jedes Truppenspiel trägt den Namen eines grossen Verbandes (Brigade oder Territorialregion). Truppenspiele tragen den Namen von aktiven Verbänden. Jährlich leisten die folgenden 11 WK-Spiele einen WK von je drei Wochen:
- 6 Blasorchester:
- Mil Spiel Heer
- Fanfare militaire brigade mécanisé 1
- Mil Spiel Mechanisierte Brigade 4
- Mil Spiel Mechanisierte Brigade 11
- Mil Spiel Führungsunterstützungsbrigade 41
- Mil Spiel Luftwaffe
- 5 Brass Bands:
- Fanfare militaire région territoriale 1
- Mil Spiel Territorialregion 2
- Mil Spiel Territorialregion 3
- Mil Spiel Territorialregion 4
- Mil Spiel Logistikbrigade 1
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Militärmusik im Stockalperschloss, Brig |
Die Orchester des Schweizer Armeespiels treten an nationalen und internationalen Veranstaltungen auf. Kommandant des Schweizer Armeespiels ist Oberst Philipp Wagner. Die Besonderheiten dieser Formationen liegen zum einen im herausragenden musikalischen Niveau und zum anderen in den speziellen Gala-Uniformen, welche jede der folgenden Formation besitzt:
- Symphonisches Blasorchester, Leitung: Oberleutnant Gaudens Bieri
- Swiss Army Big Band, Leitung: Edgar Schmid
- Repräsentationsorchester Swiss Army Central Band, Leitung: Major Aldo Werlen
- Tambourformation, Leitung: Stabsadjutant Philipp Rütsche
- Swiss Army Brass Band, Leitung: Hptm Philipp Werlen
- Swiss Army Concert Band, Leitung: vakant
Besuch bei Swissgrid
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Swissgrid Netzleitstelle in Aarau. |
Nach dem Mittagessen im Restaurant Kettenbrücke wurden wir bei SWISSGRID in der Netzleitstelle Swissgrid Control erwartet. Jörg Spicker hat uns mit einem hervorragenden Referat in die grosse Problematik Stromzukunft Schweiz eingeführt und männiglich gehörig erschreckt. Jörg Spicker ist seit 2017 Senior Strategic Advisor bei Swissgrid. Zuvor war er während vier Jahren als Leiter Market Mitglied der Geschäftsführung von Swissgrid. Er verfügt über einen Doktortitel in Physik und ist seit über 30 Jahren in der Energiebranche tätig. Seine Kernaussage: «Ohne Stromabkommen mit der EU sind die Importfähigkeit aus der EU und die Exportwilligkeit der EU infrage gestellt».
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Jörg Spicker, Senior Strategic Advisor bei Swissgrid. |
«Ungeplante Stromflüsse» klingt nach einem organisatorischen Unfall. Swissgrid plant jedoch auf Stunden genau. Das Phänomen und seine Konsequenzen in wenigen Sätzen erklärt: Strom sucht sich immer den Weg des geringsten Widerstands. Wenn Strom an einem Ort erzeugt wird, um einen Endverbraucher an einem anderen Ort zu versorgen, sollte er hauptsächlich über jene Stromleitungen zwischen den beiden Orten fliessen, die den kürzesten Weg darstellen. Ist der Weg jedoch «verstopft», so kann das dazu führen, dass Strom andere Wege sucht und durch die Netze von Nachbarländern fliesst. Solche «ungeplanten Flüsse» sind somit primär ein technisches und/oder infrastrukturelles Problem. Die EU hat als Vorgabe für die Leistungsfähigkeit der Netz-Infrastruktur die 70%-Regel aufgestellt, welche besagt, dass die EU-Mitgliedstaaten ab 1. Januar 2020 mindestens 70 Prozent der Kapazität ihrer Netzelemente für den Handel zwischen den EU-Mitgliedstaaten zur Verfügung stellen müssen.
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Beispiel zum Lastfluss im Stromnetz. |
Es wurde uns erklärt, was Swissgrid unternimmt, um negative Auswirkungen abzumildern und was die europäischen Übertragungsnetzbetreiber gedenken, zu unternehmen.
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Verteilung des Stromverbrauchs in Europa am Beispiel des Nachtlichts. |
Swissgrid arbeitet mit den europäischen Übertragungsnetzbetreibern an einem möglichst weitgehenden Einschluss der Schweiz in netzsicherheitsrelevante Prozesse, die in der EU gesetzlich vorgeschrieben sind. Hierzu handelt Swissgrid privatrechtliche Verträge aus. Mit solchen vertraglichen Regelungen der Grenzbewirtschaftung unter den Übertragungsnetzbetreibern sowie einer Harmonisierung der Sicherheits- und Betriebsstandards wird die Sicherheit im Stromnetz verbessert.
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Besorgte Prognosen für die Zeit ab 2025. |
Zusammengefasst: Die Situation ist für die Schweiz bezüglich der mittelfristigen Versorgungssicherheit alles andere als rosig.
Der Systemstress nimmt angesichts der beschriebenen Herausforderungen zu. Es kann erwartet werden, dass sich die Intensität dieser Herausforderungen bis Ende 2025 stark steigern wird, da die 70-Prozent-Regel bis dann voll umgesetzt sein muss. Die Schweiz ist also zunehmend aus wichtigen Prozessen ausgeschlossen und steht isoliert da. Angesichts der zögernden Haltung der Schweizer Aussenpolitik verschärft die EU den Druck auf den Abschluss eines Rahmen- und Stromabkommens; so ist die Teilnahme von Swissgrid an den Regelenergieplattformen und den ab nächstem Jahr etablierten «Regional Coordination Centres» stark gefährdet. Mit einem Stromabkommen wären diese aufwendigen vertraglichen Regelungen alle nicht mehr notwendig. Die Situation ist ernst, denn mittelfristig sind die Versorgungssicherheit und die Umsetzung der Energiestrategie 2050 gefährdet.
Die Importkapazitäten der Schweiz werden von aussen massiv beschnitten. Physisch ist die Schweiz wie kein anderes Land in das europäische Verbundnetz integriert. Die Schweiz funktioniert als Stromdrehscheibe im Herzen Europas: Ein Stromabkommen mit der EU wäre für unser Land äusserst wichtig, ist aber seit Jahren blockiert. Denn den gleichberechtigten Zugang zum europäischen Strombinnenmarkt gibt es bekanntlich nicht als Einzelbestellung, sondern nur als Menükomponente beim Abschluss eines institutionellen Rahmenabkommens.
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Das Stromübertragungsnetz der Schweiz. |
Das Schweizer Übertragungsnetz umfasst 6700 Kilometer Leitungen, 12 000 Masten, 125 Unterwerke mit 146 Schaltanlagen sowie 41 Verbindungen ins Ausland. Es besteht sowohl aus 380 KV als auch aus 220 KV Leitungen: Während Erstere grösstenteils für den Import und Export von Strom genutzt werden, speisen die grossen Schweizer Kraftwerke ihre Energie mehrheitlich in das 220-KV-Netz ein. Von der Besuchergalerie konnten wir danach Einblick in die eine der beiden Netzleitstellen der SWISSGRID erhaschen.
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Auf der Besuchergallerie der Netzleitstelle. |
Es war so spannend, dass trotz zügigem Laufschritt durch die Altstadt von Aarau (à la Armeewetterkompagnien) für die Generalversammlung kaum mehr Zeit übrigblieb.
Generalversammlung des VAKW 2022
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Der Präsident, Peter Albisser. |
Der Präsident zeigte bei der Abwicklung der GV sein grosses Können auf die bekannte charmante Art und Weise und schaffte es, den Rückstand im Zeitplan wieder einzuholen. Als wichtigstes Geschäft standen die Wiederwahlen von Präsident und Vorstand an. Wiedergewählt wurden:
- Peter Albisser, Präsident
- Peter Busenhart, Vizepräsident
- Pierre Kurt, Kassier
- Monika Lips, Aktuarin
- Joël Zeder, Technischer Leiter
- Michi Krucker, Technischer Leiter
- Thomas Spahni, Beisitzer
Nach der Generalversammlung folgte der gemütliche Teil des Programms mit Apéro und Nachtessen. Während des Desserts haben uns Maria Richner als Erzählerin und Esther Böhringer (Musik) in eine magische Welt geführt mit ihrem Programm zum Thema «Wättersage us de Schwiiz zum Lose, Luege und Gnüsse».
Nach dem fröhlichen Ausklang blieb uns nur eine kurze Nacht, bis wir am Samstag bei herrlichem Wetter den kulturellen Teil der Jahresversammlung angehen konnten. Die Gruppenaufteilung für die Führungen erfolgte nicht wie gewohnt nach militärischen Vorgaben, sondern durch freie Wahl und das Interesse der Einzelnen. Es galt, sich zu entscheiden: entweder für den geführten Stadtrundgang in Aarau oder für den Besuch der Studiensammlung Kern.
Stadtrundgang in Aarau
Die eine Gruppe wurde geführt durch den ehrenamtliche Stadtführer Werner Leuthard (ehemaliger Energiebeauftragter des Kantons Aargau). Bei sommerlichen Temperaturen wurde all den Trouvaillen der Kantonshaupstadt nachgespürt.
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Unser Stadtführer für den Rundgang: Werner Leuthard. |
Um 1248 wurde Aarau als Stadt von den Kyburgern auf einem vorspringenden Felskopf über der Aare gegründet. Es wurde erstmals als Arowe erwähnt. Der älteste gesicherte Hinweis auf das Bestehen einer städtischen Siedlung stammt aus dem Jahr 1256. Als neue Landesherren folgten den Kyburgern die Habsburger, welche Aarau 1283 das Stadtrecht verliehen. Im Jahr 1415 eroberten die Berner mit der Hilfe der Solothurner den unteren Aargau, der fortan zum bernischen Untertanengebiet gehörte.
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In der Pelzgasse in Aarau. |
Mitte März 1798 besetzten französische Truppen Aarau. Im gleichen Jahr wurde es von den französischen Besatzern zur Hauptstadt der Helvetischen Republik und damit zur ersten Hauptstadt der Schweiz erklärt, dies allerdings nur für wenige Monate.
1803 wurde der Kanton Aargau auf die heutigen Grenzen erweitert und Aarau definitiv als Kantonshauptstadt bestätigt. Der Schweizer Heimatschutz verlieh der Stadt Aarau den Wakkerpreis 2014.
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Am Samstagsmarkt in Aarau. |
An diesem Samstagmorgen trafen wir eine glückliche Bevölkerung, welche den Sommer ohne Corona-Fesseln echt geniessen konnte.
Besuch der Studiensammlung Kern im Bunker des Stadtmuseums Aarau
Kompetent und charmant wurden wir geführt durch Herrn Aldo Lardelli, der ein langjähriger Mitarbeiter bei Kern Aarau war und jedes Ausstellungsstück bestens kannte.
Die bis 1992 unter dem Namen Kern & Co. AG, Aarau, bekannte Firma wurde 1819 von Jakob Kern in Aarau gegründet. Kern erlernte in Aarau den Beruf eines Zirkelschmieds, ging nachher nach München - eines der damaligen Zentren der optischen Forschung und des Baus feinmechanischer Instrumente - und eröffnete nach seiner Rückkehr in Aarau seine Werkstatt. Im 19. Jahrhundert wuchs der Betrieb stetig, doch die Zeit nach dem 1. Weltkrieg führte zu geschäftlichen Schwierigkeiten: Wirtschaftskrise, schlechte Auslastung der neu aufgenommenen Optik-Fabrikation und vor allem die Konkurrenz durch neuartige, von Heinrich Wild in Heerbrugg hergestellte Vermessungsinstrumente.
Nach dem 2. Weltkrieg gelang mit den Objektiven für die Bolex-Schmalfilmkameras der Firma Paillard ein technischer und geschäftlicher Durchbruch. Man erwog, ob der Bau von Vermessungsinstrumenten überhaupt noch weitergeführt werden solle.
In den 70er Jahren überraschte Kern mit den elektronischen Distanzmessern, den damals kleinsten elektronischen Entfernungsmessern.
Die Photogrammetrie machte grosse Fortschritte mit dem Präzisions-Auswertegerät PG3 (1968). Der Durchbruch in die analytische Photogrammetrie gelang Kern 1980.
Der 13. Mai 1988 wurde in der Firma Kern "der schwarze Freitag" genannt. Die Belegschaft erfuhr an diesem Tag vom Verkauf ihrer Firma über die Presse.
1988 war die neue Variante des elektronischen Theodoliten E10 bereit. Durch den Verkauf der Firma am 13. Mai 1988 an die Wild-Leitz-Gruppe wurde er nicht mehr realisiert. 1991 wurden die Produktionsstätten in Aarau geschlossen.
Im Februar 2009 konstituierte sich offiziell eine "Arbeitsgruppe Kern", die unentgeltlich die Sammlung aufbaut, registriert, inventarisiert und in Zusammenarbeit mit der Stadt Aarau und der Museumsleitung betreut.
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Ballontheodolit zur Verfolgung von Wetterballonen. |
Höhepunkte der grossartigen Führung waren der uns allen wohlbekannte Ballontheodolit sowie eine der Optiken, welche durch die Apollo Astronauten für die 16mm Akquisition Camera auf dem Mond eingesetzt wurde. Alle anderen, bis auf diese eine, blieben leider aus Gewichtsgründen auf dem Mond.
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Objektiv zur Apollo Maurer Data Acquisition Camera, zurück vom Mond. |
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Gross war auch das Staunen vor dem original Theodoliten, welcher von General Henri Dufour in den Jahren 1845 bis 1865 für die Erarbeitung der sog. Dufourkarte eingesetzt wurde.
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Kern Theodolit, der zur Erstellung der Dufourkarte verwendet wurde. |
Nach Speise und Trank haben wir uns getrennt mit einem herzlichen "bes zom nächschte Träffe"
.Text und Bilder: WetSdt Gysel Thomas
Weiterführende Informationen:
Swissgrid
Studiensammlung
Kern Aarau